Das Sternbild Oktans – Oktant

Herkunft, Mythologie, Beobachtungshinweise

zusammengestellt von E.-Günter Bröckels    

1 Der Name

Der Oktant ist ein nautisches Gerät zur Messung von Winkeln. Sein Name bezieht sich auf den Umfang der angebrachten Skala von 45° (lat. octans = achter Teil/einem Achtel-Kreis). Der Messumfang beträgt aber wegen der Spiegelung im Strahlengang das Doppelte (nämlich 90°). Entsprechend ist die Skala eingeteilt. Über zwei Spiegel, von denen einer beweglich ist, können die Bilder zweier Objekte nebeneinander platziert und so der Abstand zwischen den beiden bestimmt werden. In der Seefahrt konnte auf diese Art und Weise in Verbindung mit einer präzisen Uhr die Höhe der Sonne zur Mittagszeit bestimmt werden; daraus lässt sich der Breitengrad ermitteln, auf dem man sich befindet. Solche Spiegeloktanten ermöglichten also Messungen in einer für die damalige Zeit sensationellen Geschwindigkeit und Genauigkeit. Ende des 18. Jahrhunderts wurde er durch den moderneren Sextanten ersetzt, der auch größere Winkelabstände als 90° messen konnte.

Der Oktant wurde vom englischen Astronomen und Mathematiker John Hadley zusammen mit seinen Brüdern George (1685–1768) und Henry (* 1687) entwickelt und 1731 der Royal Society in London vorgestellt. Zuerst als Hadley-Quadrant bezeichnet, wurde er zum Vorläufer der moderneren Sextanten. Der Messfehler war bei diesen frühen Geräten recht groß, sodass die Position oft nur sehr ungenau bestimmt werden konnte. Oft betrug die Abweichung mehrere Kilometer. Bei den ersten Modellen kam erschwerend dazu, dass sich das Holz im nassen Meeresklima verziehen konnte. Die Probleme bei der Positionsbestimmung in der Ära der Segelschiffe mit diesem Gerät lässt sich sehr gut nachvollziehen, ebenso wie die Technik dahinter. Die ursprünglich rund 50 cm großen Holzinstrumente konnten durch Nutzung von Messing auf ein handlicheres Maß verkleinert werden.

Ebenfalls im Jahr 1731 entwickelte Thomas Godfrey einen Oktanten in den Amerikanischen Kolonien.

Es ist übrigens noch gar nicht so lange her, dass die alleinige Methode der Ortsbestimmung auf hoher See die Ermittlung der Höhe eines Gestirns über dem Horizont war bzw. die Abstände der Gestirne untereinander. Da der Oktant nur Winkel bis zu 90° messen kann − also bei der Längenbestimmung durch die sog. Monddistanzen nur eingeschränkt brauchbar war − wurde er im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert durch den Sextanten verdrängt.

Nach wie vor sind diese Methoden neben GPS, also satellitengestützten Systemen, in der Seefahrt im Einsatz.

Und so funktioniert der Oktant

Der bewegliche Arm (die Alhidade) wird auf 0° gestellt, anschließend wird durch das Peilloch der Horizont anvisiert. Er muss zweimal sichtbar sein – das untere Glas ist nur zur Hälfte verspiegelt, sodass man auf der linken Seite geradeaus sieht und rechts daneben das Bild des oberen Spiegels sieht. Dann wird die Alhidade und mit ihr der zweite Spiegel so verstellt, dass man das Bild des Sterns, dessen Höhe man messen will, auf einer Höhe mit dem Horizont sieht. Für die Bestimmung der Sonnenhöhe gibt es einschwenkbare Filter, um das Licht zu dämpfen und den kurzzeitigen Blick in die Sonne zu ermöglichen, ohne gleich Augenschäden davonzutragen.

Darum beherzigen und beachten Sie folgende Warnung:

„Nehmen Sie niemals die Sonne ohne eingeschwenkte Filter ins Besteck, um keine Augenschäden zu riskieren!“

Auf der Gradskala am unteren Ende des Sextanten können Sie dann die Höhe des Gestirns über dem Horizont ablesen.

Bild 01: Oktant aus Metall mit Nonius und Feineinstellung

2 Das Sternbild

Octans     Genitiv: Octantis     Abk.: Oct     dt.: Oktant

Auch das Sternbild Oktant wurde als eines von 14 Sternbildern in den Jahren 1751 / 1752 von dem französischen Astronomen Nicolas Louis de Lacaille eingeführt. Es soll an den Oktanten erinnern, ein Instrument, das von den Seefahrern seiner Zeit zur Positionsbestimmung und zur Messung von Winkelabständen genutzt wurde und noch bis weit ins 19. Jahrhundert in der Navigation zur Bestimmung der geografischen Breite in Gebrauch war. Auf Johann Elert Bode´s Uranographia von 1801 erschien de Lacailles neues Sternbild unter dem Namen „Octans Nautica“.

Bild 02: Oktant in J. E. Bode´s Uranographia von 1801

Der Oktant ist das südlichste Sternbild schlechthin, denn der Himmelssüdpol liegt in seinen Grenzen. Leider gibt es hier keinen hellen Stern, der analog zum Polaris in der Kleinen Bärin diesen wichtigen Punkt markieren könnte. Der nächstgelegene, heute ca. 1° vom südlichen Himmelspol entfernte und mit bloßem Auge sichtbare Stern ist der nur 5m45 helle σ Octantis, der neuerdings auch Polaris Australis genannt wird.

Dies ist aber, dank der Erdachsenpräzession, nur eine vorübergehende Rolle, denn der Pol verlagert sich in ca. 27.000 Jahren einmal rundum auf einer angenäherten Kreisbahn, deren Mittelpunkt der Ekliptikpol bildet. Im Jahr 1870 stand Sigma Octantis dem Himmelssüdpol am nächsten. Den hellsten Polastern werden die Bewohner der Südhalbkugel zwischen den Jahren 5000 und 11.000 haben. Dann wandert der Pol nämlich durch die Sternbilder Carina und Vela. Somit wird in den Jahren 8000 bis 9000 das „Falsche Kreuz“ ein sehr markanter Wegweiser zum Himmelssüdpol sein.

Einen Anhaltspunkt für die Position des Himmelspols erhält man, wenn man die geographische Breite seines Beobachtungsstandortes kennt. Der Pol steht so viele Grad über dem Horizont, wie es der Gradzahl des Breitenkreises des Beobachtungsstandortes entspricht. Dies gilt sowohl für den Himmelssüdpol als auch für den -nordpol.

Eine weitere grobe Aufsuchhilfe ist das Sternbild Dorado (Schwertfisch). Verlängert man den Bogen der Hauptsterne links an der GMW vorbei nach Süden, trifft man auf den Himmelssüdpol, der sich dann vor den figurbildenden Sternen des Oktanten befindet.

Zudem bildet der südliche Himmelspol mit den beiden Magellan´schen Wolken ein angenähertes gleichseitiges Dreieck.

Da dieses Sternbild mit seinen Grenzen den Himmelssüdpol umschließt, erstreckt es sich in Rektaszension von 0h00m00s bis 24h00m00s, also um einen Punkt, aber in Deklination reicht es von diesem Punkt, also von -90°00´00“, bis hinauf auf -74°18´14“ und beinhaltet dabei 291 Quadratgrad. Somit ist dieses Sternbild erst ab dem Äquator vollständig sichtbar.

Seine Nachbarsternbilder sind Inder, Pfau, Paradiesvogel, Chamäleon, Tafelberg, Kleine Wasserschlange und Tukan.

Meteorströme sind aus dieser Region keine bekannt.

2.1 Die Sterne

ν Oct ist mit 3m76 der hellste Stern im Sternbild Oktant. Es handelt sich um einen spektroskopischen Doppelstern mit einer Periode von 2,9 Jahren. Die Hauptkomponente ist ein orange leuchtender Unterriese der Spektralklasse K0III mit einer Oberflächentemperatur von 4860 K in rund 70 Lichtjahren Entfernung. Seine Position ist α 21h41m28,8s / δ -77°23´24,2“. Dieser  Stern hat seinen Kernwasserstoff verbraucht und sich ausgedehnt. Der sekundäre Stern ist wahrscheinlich ein roter Zwerg von sehr geringer Masse. Im Jahr 2009 wurde angenommen, dass das System einen Exoplaneten enthält, was auf Störungen in der Orbitalperiode basiert. Eine prograde Lösung wurde schnell ausgeschlossen, aber eine retrograde Lösung bleibt eine Möglichkeit. Allerdings könnten die Variationen auch darauf zurückzuführen sein, dass der sekundäre Stern selbst ein enger Doppelstern ist. Die Bildung eines Planeten in einem solchen System wäre aufgrund von dynamischen Störungen nämlich schwierig.

β Oct ist 140 Lichtjahre entfernt. Es handelt sich um einen 4m13 weiß leuchtenden Stern der Spektralklasse A9 IV mit einer Oberflächentemperatur von 8000 K auf der Position α 22h46m03,5s / δ -81°22´53,8“. Beta Octantis ist ein wahrscheinliches astrometrisch binäres Sternensystem und liegt etwa 149 Lichtjahre von der Sonne entfernt. Es bewegt sich mit einer Radialgeschwindigkeit von +19 km / s von der Sonne weg.

δ Oct steht auf der Position α 14h26m55,2s / δ -83°40´04,4“, ist ein 4m31 heller orange leuchtender Stern der Spektralklasse K2III mit einer Oberflächentemperatur von 4300 K. Er ist schon 4,3 Milliarden Jahre alt, also fast so alt wie unsere Sonne und ist von ihr 299 Lichtjahre entfernt.

θ Oct ist ein 4m78 heller, orange leuchtender Riesenstern der Spektralklasse K3III mit einer Oberflächentemperatur von 4200 K auf der Position α 00h01m35,7s / δ -77°03´56,6“ in einer Distanz zu uns von 217 Lichtjahren.

σ Oct steht dem Himmelssüdpol von den mit bloßem Auge sichtbaren Sternen am nächsten. Als Aufsuchhilfe ist Sigma Octantis jedoch nicht besonders geeignet, weil er mit nur 5m45 viel zu unauffällig und heutzutage nur unter sehr guten Bedingungen direkt zu sehen ist. Trotzdem wird er auch Polaris Australis genannt. Er ist ein weißer Unterriese der Spektralklasse F0III in 270 Lichtjahren Entfernung.

γ1 Oct ist ein einzelner, gelb leuchtender Stern mit einer scheinbaren visuellen Helligkeit  von 5m1, was bedeutet, dass er gerade hell genug ist, um für das bloße Auge schwach sichtbar zu sein. Dabei befindet sich dieser Stern etwa 265 Lichtjahre von der Sonne entfernt. Es bewegt sich mit einer Radialgeschwindigkeit von +15,4 km / s von der Sonne weg. γ1Octantis ist ein roter, weiterentwickelter G-Typ-Riesenstern mit einer Sternklassifikation von G7 III und einer Photosphärentemperatur von 5150 K. Er erzeugt seine Energie durch Heliumfusion in seinem Kern. Der Stern hat eine geschätzte 1,81fache Sonnenmasse und hat sich auf den 11fachen Sonnenradius ausgedehnt.

α Oct ist, obwohl er von Johann Bayer in seinem Sternatlas Uranometria als „Alpha“ Stern bezeichnet wird, nicht der hellste Stern im Sternbild – dieser Titel gehört Nü Octantis. Alpha steht auf der Position α 21h04m43,1s / δ -77°01´25,6“, hat eine visuell scheinbare Gesamtgröße von 5m15 und ist ein spektroskopischer Doppelstern, der aus zwei Riesensternen der Spektraltypen F4III und F5III mit Photosphärentemperaturen um 6300 K besteht. Diese umkreisen sich mit einer Periode von etwas mehr als 9 Tagen. Das Paar wurde als bedeckungsveränderliches Doppelsternsystem vom Typ Beta Lyrae klassifiziert. Es ist eine helle Röntgenquelle mit einer Leuchtkraft von 22,78 × 1029 erg s-1 und steht in einer Raumtiefe von 148 Lichtjahren.

2.2 Deep Sky Objekte

NGC 2573 ist eine Balkenspiralgalaxie vom Hubble-Typ SBc auf der Position RA 01h41m53,2s /  Dec -89°20´03“. Sie ist nur 13m4 hell und hat eine Winkelausdehnung von 1,9´ x 0,7´ bei einer Entfernung von 128,2 Millionen Lichtjahren. Sie wird auch Polarissima Australis genannt und wurde am 29. März 1837 vom britischen Astronomen John Herschel entdeckt. Er notierte: „Neb Polarissima Australis. Schwach, rund, allmählich ein wenig heller in der Mitte. Fast auf halbem Weg zwischen einem Stern der 10. Größe südlich davon und einem kleinen Dreieck der Sterne 11., 13. und 13. Magnitude im Norden.“ Diese Galaxie zeigt sich als kleiner Lichtfleck mit geringer Oberflächenhelligkeit, der von Ost nach West leicht gestreckt ist.

NGC 2573A und NGC 2573B/PGC 70533  sind ein wechselwirkendes oder sogar kollidierendes Galaxienpaar auf der Position RA 23h07m32.6s / Dec -89°07’00 „. Sie bringen ein gemeinsames Licht von nur 14m6 bei einer Winkelausdehnung von 1,7 ‚x 0,6´.
NGC 2573A und NGC 2573B sind keine echten NGC-Objekte, sondern im Volksmund so genannt, weil sie im allgemeinen Bereich von NGC 2573 liegen. PGC70680 ist 115 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und hat einen wahren Durchmesser von 70.000 Lichtjahren. Sie ist vom Hubble-Typ eine SBb und zeigt sich als ein  länglicher Nebelfleck in Nord-Südrichtung. PGC70533 ist eine Galaxie vom Typ IBm pec fast in Kantenstellung und somit auch nur ein kleiner, dünner Lichtstreifen mit einer Ausrichtung quer zu PGC 70680. Bei fast gleicher Raumtiefe hat diese Galaxie einen wahren Durchmesser von 50.000 Lichtjahren.

NBGC 6438 / PGC 61793 und NGC 6438A bilden ein interagierendes Galaxienpaar, das im Okular einen sehr ungewöhnlichen Anblick bietet. John Herschel entdeckte es am 2. Juni 1835. Es befindet sich auf der Position RA 18h22m15,9s / Dec -85°24´06“. Sie erscheinen als ein kleines, rundes, mit 11m7 mäßig helles Leuchten mit einem schwachen, diffusen, länglichen, bogenförmigen Glühen an seiner östlichen Seite. Zusammen haben sie eine Winkelausdehnung von 1,6´x 1,4´. Das runde Gebilde ist NGC 6438; das schwache bogenförmige Leuchten kommt von NGC 6438A. In der Galaxie NGC 6438 ist ein Nukleus zu sehen und mit indirektem Sehen leicht zur Mitte aufhellt. Das bogenförmige Leuchten von NGC 6438A ist bei Einsatz spezieller Filter sichtbar. Es tritt dort auf, wo NGC 6438A mit ihrem Begleiter kollidiert.

Bild 03: Galaxienpaar NGC 6438 und NGC 6438A

NGC 7098 ist eine mit 11m3 leuchtende Galaxie vom Hubble-Typ (R)SAB(rs)a auf der Position RA 21h44m16.4s /  Dec -75°06’43”. Sie hat eine Winkelausdehnung von  4.1’ x 2.6’. John Herschel entdeckte NGC 7098 am 22. September 1835. Er notierte: „pF; R; erstes vg, das psbM; in einem Feld mit vielen großen Sternen und stark gepunktet.“ Diese Galaxie zeigt sich als ziemlich schwach leuchtend, hat einen breiteren helleren Kern, der leicht balkenförmig erscheint. Ein indirektes Sehen zeigt einen sehr schwachen äußeren Halo mit leicht ungleichmäßiger Helligkeit. In der gleichen Richtung liegen mehrere Hintergrundgalaxien, die aber nur den Großteleskopen oder Fotografien zugänglich sind.

Bild 04: NGC 7098

2.3 Sonstiges

Quellenangaben der Abbildungen

Die Serie der Sternbildbeschreibungen wird fortgesetzt.